Ein „Leuchtturm“: Das Jüdische Gemeindezentrum mit Synagoge Regensburg

Eine äußerst interessante Führung durch das Jüdische Gemeindezentrum mit Synagoge in Regensburg durften vor kurzem die Mitglieder des Chamer Arbeitskreises „Ökumene“ und weitere Personen erleben. Stadtpfarrer Dieter Zinecker und Dekan Walther Kotschenreuther hatten hierzu die Initiative ergriffen und die nötigen Kontakte geknüpft, insbesondere mit Dieter Weber, dem Gründer des 2013 ins Leben gerufenen „Fördervereins Neue Regensburger Synagoge“.

Weber war der fachkundige Begleiter durch den imposanten Gebäudekomplex samt Eingangs- und Innenhof, er ließ die Chamer Besuchergruppe in der gebotenen Kürze, aber doch tief hineinblicken in die Geschichte der jüdischen Bevölkerung vor Ort:

Im Jahre 1519 wurde die damalige Synagoge am Neupfarrplatz zerstört; eine 1912 eingeweihte Neue Synagoge ist 1938, ähnlich wie so viele andere jüdische Einrichtungen in Deutschland, abgebrannt worden; erhalten blieb damals das Gemeindehaus; 1968 bis 1971 wurde als Interimslösung ein Bet- und Gemeindesaal als Flachbau auf dem leer gebliebenen Gelände errichtet und später wieder abgerissen; ab Ende 2013 wurde der Neubau in die Wege geleitet und mit Hilfe von öffentlichen und privaten Fördergeldern realisiert.

Freuen kann sich darüber die örtliche orthodoxe jüdische Gemeinde, die seit den 1990-er Jahren infolge des Zuzugs vieler Juden aus der ehemaligen Sowjetunion sprunghaft auf ca. 1.000 Mitglieder angewachsen ist.

Durch seine Höhenstaffelungen und sein hochwertiges Erscheinungsbild (Fassadengestaltung mit Sichtmauerwerk, hell gebrannter Klinkerstein, absolut ähnlich dem „Jerusalem-Stein“) fügt sich das im Februar 2019 eingeweihte Ensemble aus neuem Zentrum und altem Gemeindehaus, nahtlos in das „UNESCO-Welterbe Altstadt Regensburg“ ein – und wird vielerorts als Leuchtturm-Projekt gepriesen.
Dieter Weber führte die Chamer zunächst in den ebenerdigen Gemeindesaal. Der einladende Mehrzweckraum für ca. 200 Besucher lässt mit raumhohen Glas- statt Mauerwänden zum Innenhof hin viel Tageslicht zu. Den strengen Sicherheitsanforderungen steht dies nicht entgegen, dank der schützenden massiven Hülle aus Sichtziegelwerk an der Außenseite.

Weiter ging es in den schlicht gehaltenen Gebetsraum, ebenfalls im Erdgeschoss des sanierten Altbaus, der regelmäßig genützt wird, wie auch das rituelle Tauchbad, die sog. Mikwe, im Untergeschoss. Daneben angesiedelt sind Bibliothek, Clubraum und Küche.

Über eine breite Treppe und das lichtdurchflutete Foyer im ersten Obergeschoss leitete Weber zum „Herz“ des Gebäudes, dem zweigeschossigen Synagogenraum, der mit einer besonderen Kuppel als Bedachung an „Gottes Zelt auf Erden“ erinnert. Es handelt sich hierbei um eine gewölbte Holzdecke aus dünnen Stäben, die miteinander eine (wie ein geblähtes Tuch wirkende) freitragende Decke von 25 Metern Durchmesser bilden, nach fachlichem Urteil ein Meisterwerk der Handwerkskunst: Die Holzstäbe filtern das durch Verglasungen unterhalb der Kuppel strömende Licht und lassen die Kuppel schwebend erscheinen!

Der Innenraum strahlt mit einer inneren Raumschale aus filigranen, nach oben durchlässigen Holzlamellen vollkommene Ruhe und Wärme aus und bildet im unteren Teil den Gebetsbereich für 100 Männer. Er enthält den Thoraschrein, darin aufbewahrt die kostbaren Thorarollen; daneben die Bima, jenes Podest, von dem aus die Thora (die fünf Bücher Mose in hebräischer Sprache) während des Gottesdienstes verlesen wird. Der obere Teil beinhaltet die Frauenempore mit 60 Sitzplätzen. Weber erklärte die religiösen Abläufe und wies daneben noch auf eine Besonderheit hin: Da der Synagogenraum gemäß jüdischem Ritus nach Osten ausgerichtet sein muss, wurde er (architektonischer Glanzpunkt!) leicht aus der Straßenachse gedreht – das verleiht dem Gebäude außergewöhnliche Spannung!

Die Chamer Besuchergruppe war tief beeindruckt von der gelungenen Symbiose aus Raum und Religion – und nicht zuletzt auch Kunst: Den kleinen Innenhof vor dem Haupteingang des Gemeindezentrums überwölbt eine dreistufige Bronzespirale, das Spruchband zitiert das Gedicht „Gemeinsam“ der jüdischen Schriftstellerin Rose Ausländer, mit der nur angedeuteten und doch unmissverständlichen Botschaft: „Vergesset nicht Freunde – wir reisen gemeinsam (…) – es ist unsere gemeinsame Welt – die ungeteilte ach die geteilte – die uns aufblühen lässt – die uns vernichtet – diese zerrissene – ungeteilte Erde – auf der wir – gemeinsam reisen.“

Zum Abschluss der aufschlussreichen Besichtigungstour richtete Pfarrer Dieter Zinecker im Namen aller ein herzliches Vergelts Gott an Dieter Weber und dankte für die gebotene Gastfreundschaft. Weber seinerseits bedankte sich für die lobenden Worte und freute sich über das große Interesse am Leben der Jüdischen Gemeinde vor Ort.

Beim Verlassen des Gemeindezentrums warfen die Chamer intuitiv nochmals einen Blick nach oben auf das Spruchband: „Vergesset nicht Freunde – wir reisen gemeinsam …“.

Bilder:

Bild 1: Ansicht des Jüdischen Gemeindezentrums
Bild 2: Die Chamer Besichtigungsgruppe mit Stadtpfarrer Dieter Zinecker (2. v.r.), Dekan Walter Kotschenreuther (3. v.l.) und Dieter Weber (2. v.l.)
Bild 3: Blick im Synagogenraum von oben auf die Bima
Bild 4: Auf den Außenseiten der Türen zum Thoraschrein sind die zehn Gebote eingraviert
Bild 5: Das heilige Buch der Thora
Bild 6: Flächendeckende, nach oben dünner werdende Holzlamellen im Synagogenraum
Bild 7: Thoraschrein und Bima im alten Betsaal
Bild 8: Besuchergruppe

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