Gedenken an Kriegsopfer
Nach dem Gottesdienst in der Expositurkirche St. Laurentius hat man am Sonntag am Kriegerdenkmal der gefallenen Soldaten der beiden Weltkriege gedacht. Zu Beginn begrüßte Stadtrat Klaus Kernbichl, Herrn Stadtpfarrer Dieter Zinecker, die Vereinsvorstände mit ihren Abordnungen und Stadtratskollegen Martin Stoiber. Ein herzliches Willkommen galt auch allen Kirchenbesuchern.
„Jedes Jahr in der dunklen Zeit erinnern wir uns am Volkstrauertag der Toten, die durch die Weltkriege und in ihnen den Tod erlitten haben“, so Kernbichl. Diese Kriege wurden von Völkern, genauer: von Staaten und ihren Regierungen gegeneinander geführt. Wir sollen und wollen diese Toten ehren, die sehr oft nicht freiwillig das Opfer ihres Lebens gebracht haben. Was sie gedacht oder gefühlt haben, was sie bewegt und motiviert hat, wissen wir meistens nicht. Unser Gedenken hängt auch nicht davon ab, ob wir ihren Vorstellungen oder Gefühlen zustimmen. Es ehrt vielmehr das Leid, das Opfer, das Unglück, das sie tragen mussten, und es ehrt darin prinzipiell die Würde und die Unersetzbarkeit ihrer Person, aller Personen, aller Menschen als Personen. Das ist die Grundüberzeugung unserer Kultur, die sich auf die Menschen- und Bürgerrechte jedes Individuums gründet, nicht auf besondere Missionen oder Privilegien von Nationen oder Staaten. Über viele Jahre hinweg ist aus der Trauer um die Toten und aus ihrer Würdigung immer wieder das Bedürfnis entstanden, ihr Opfer auch dadurch zu ehren, dass man Gründe für die Rechtfertigung ihres Todes vortrug. Damit hat man, oft implizit und jedenfalls nicht immer gewollt, auch die Gründe für die Kriege, denen sie zum Opfer gefallen sind, gerechtfertigt. Damit können wir heute nicht fortfahren, müssen es vielmehr in Zweifel ziehen. Wir müssen uns der herausfordernden Wahrheit stellen, dass wir Leid und Opfer von Menschen wegen ihrer Würde als Menschen ehren, auch wenn sie in einem ungerechten und nicht zu rechtfertigenden Krieg gestorben sind, auch wenn sie aus heutiger Sicht ein sinnloses Opfer gebracht haben.
Dieser Gedanke: zu unterscheiden zwischen dem subjektiven Sinn, den die Toten selbst oder ihre Angehörigen ihrem Opfergang zugesprochen haben, und den Illusionen, der unberechtigten, illegitimen Verherrlichung der eigenen nationalen Sache, für die sie in den Tod geschickt worden sind, die aber heute als Rechtfertigung nicht mehr trägt, ist gedanklich und gefühlsmäßig nicht einfach, aber notwendig. Es ist nicht einfach, weil es so scheinen könnte, dass mit der Infragestellung der „objektiven“ Rechtfertigung der Kriege und der mit ihnen verbundenen Opfer auch die Würdigung ihres subjektiven Opfers verloren ginge. Aber das stimmt nicht. Denn die moralische Würdigung der Personen, die sich geopfert haben oder sich opfern mussten, auch die Würdigung ihrer eigenen Motive ist unabhängig von der Berechtigung der Entscheidungen, die in die Kriege geführt haben. Diese Unterscheidung ist sogar umgekehrt notwendig, wenn wir – auch und gerade um der Opfer willen – Schlussfolgerungen zum Volkstrauertag ziehen wollen, die für die Zukunft sinnlose Kriegsopfer vermeiden helfen. Denn die resignative Idee, dass es eben immer Kriege geben werde und man sie deshalb hinnehmen müsse, wird dem grauenhaften Geschehen, dem Leid und den oft ungesühnten Verbrechen, denen Kriege den Boden bereiten, nicht gerecht. Im Ursprung der Kriege des 20. Jahrhunderts, die zwischen Nationalstaaten ausgefochten wurden, lagen in der Regel Verblendungen und einseitige Einschätzungen der eigenen Sache im Vergleich zu jener der Gegner. Oft wurden historische Ansprüche auf Länder und Reichtümer oder missionarische politische Ziele, angeblich unverzichtbare nationale Interessen oder sogenannte Überlebensinteressen ins Feld geführt. Mit historischem Abstand betrachtet trafen sie nur in seltenen Fällen zu. Allerdings müssen wir Deutschen uns immer wieder ins Gedächtnis zurückrufen, dass insbesondere der Zweite Weltkrieg als Angriffskrieg gegen unsere überfallenen Nachbarn ihnen keine andere Wahl ließ, als sich gegen die deutsche Aggression und Besatzung mit Waffengewalt zu wehren.
Der Volkstrauertag gibt uns einen wichtigen Anstoß, diesen Irrweg um des Leids der europäischen Weltkriegsopfer willen entschieden wieder zu verlassen im Sinne der Maxime, die Immanuel Kant für den Gemeinsinn formuliert hat: Uns jederzeit an die Stelle der anderen zu setzen, um ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.“
Im Anschluss wurden Fürbitten gesprochen. Mit einem gemeinsamen Gebet beendete Pfarrer Zinecker das Gefallenengedenken.