Reformationsgedenken 2017: Gemeinsames Nachdenken
Wie das Miteinander zwischen evangelischen und katholischen Christen im Zeichen der versöhnten Verschiedenheit aussehen kann – davon konnten sich die Besucher des „Ökumenischen Versöhnungsgottesdienstes“ am vergangenen Samstagabend in der Stadtpfarrkirche St. Jakob ein aufschlussreiches Bild machen.
Eigentlich nichts Ungewöhnliches, möchte man meinen, da Ökumenische Gottesdienste im kirchlichen Jahreslauf in Cham seit längerer Zeit ihren festen Platz haben, aber dieses Mal eben unter besonderen Vorzeichen: Zum Reformationsgedächtnis und zeitgleich zu den zentralen Gottesdiensten in der Regensburger Dreieinigkeitskirche und in Hildesheim, St. Michael (mit den jeweiligen Bischöfen beider Konfessionen) gestalteten Dekan Walter Kotschenreuther und Stadtpfarrer Dieter Zinecker diesen Buß- und Versöhnungsgottesdienst unter dem Leitwort „Erinnerung heilen – Jesus Christus bezeugen“. Und luden dabei – 500 Jahre nach der vollzogenen Trennung der abendländischen Kirchen – zum gemeinsamen Nachdenken ein. Schon in seiner Begrüßung verwies Pfarrer Zinecker auf die wichtigen Fragen, die sich hier stellten: „Wo haben wir Schuld auf uns geladen als Kirchen? Wo haben wir Gräben vertieft, wo haben wir nach Vorwürfen gesucht, die den anderen herabsetzen? Wo haben wir das, was die andere Kirche praktiziert und erreichen will, verzerrt dargestellt, um den anderen ins Unrecht zu setzen?“ – Die Antwort auf diese Fragen gab es umgehend, in Form eines feierlich vorgetragenen Schuldbekenntnisses beider Geistlicher, der die ehrliche Bitte um Vergebung „da, wo wir als Kirche versagt haben“ folgte.
Nach der Lesung und Verkündigung des Evangeliums setzte der evangelische Dekan das „Nachdenken“ in seiner Predigt fort. „Schweres wirkt lange nach“ stellte er fest und machte an zahlreichen Beispielen und Begebenheiten deutlich, dass in der Vergangenheit oft das Trennende in den Vordergrund gestellt oder förmlich herbeigeredet worden sei, was in Wahrheit nur der weitgehenden, wenn nicht völligen Unkenntnis der Glaubensgrundlagen der jeweils anderen Konfession geschuldet war. Kotschenreuther zeigte sich aber überzeugt, dass diese dunklen Zeiten weitgehend überwunden und insbesondere seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil vor über 50 Jahren, auf gutem Weg vom Konflikt zur Gemeinschaft, positiven Signalen gewichen seien.
Ein solches Signal und einen zugleich wichtigen Bestandteil des „Versöhnungsgottesdienstes“ beinhaltete die nach der Predigt von Dekan und Pfarrer gemeinsam vorgetragene „Selbstverpflichtung“:
„Liebe Mitchristen, unser Gottesdienst soll nicht folgenlos bleiben. Wir wollen konkrete Schritte gehen und uns im Geist der ökumenischen Geschwisterlichkeit verändern.
Im Vertrauen auf die Kraft des Hl. Geistes verpflichten wir uns,
die grundlegenden Gemeinsamkeiten in der Verkündigung hervorzuheben und den Gott des Friedens, der Hoffnung und des Erbarmens zu bezeugen. Wir wollen gemeinsam handeln im Bereich der karitativen Initiativen, in Fragen der sozialen Gerechtigkeit, der Menschenrechte und im Einsatz für Versöhnung unter den Völkern.
Im Vertrauen auf den Hl. Geist verpflichten wir uns,
die ökumenischen Erklärungen, die verfasst worden sind, in die Tat umzusetzen und die Zusammenarbeit auf allen Ebenen zu verstärken; die konfessionsverschiedenen Ehen zu unterstützen, sie in der religiösen Erziehung der Kinder zu fördern und die ökumenische Grundhaltung in unseren Kirchen fruchtbar werden zu lassen; weitere Schritte auf dem Weg zur sichtbaren Einheit der Kirchen zu gehen.
Vor Gott gehen wir diese Verpflichtungen ein. Er sei mit uns, dass wir sie halten können.“
Erste kleine Bestärkung erfuhr diese Erklärung im Glaubensbekenntnis aller Anwesenden und im Schlusslied „Möge die Straße uns zusammenführen…“.
Am Ende des Gottesdienstes sah man viele zufriedene Mienen. Wirkte da schon der neue Geist der Versöhnung…?
Im Bild: Versöhnungsgottesdienst mit Dekan Walter Kotschenreuther und Stadtpfarrer Dieter Zinecker